Aktualisiert am 21.12.2020
Die legendäre Postschiffroute der Hurtigruten im Winter erleben ist eine ganz besondere Erfahrung. Auf der Südroute vom eisigen Kirkenes an der Barentsee bis in das regenreiche Bergen erwarten die Passagiere schneebedeckte Gebirgszüge, kleine Hafenorte und mit etwas Glück flackernde Polarlichter. Hier findest du meine Tipps und Erlebnisse zu Norwegens beliebter Küstenverbindung.
Inhaltsverzeichnis
Start der Südroute
Der Hafen von Kirkenes ist der Wendepunkt auf der Postschiffroute. Die Hurtigrutenschiffe fahren von hier in südlicher Richtung zurück nach Bergen. Der Start der Postschiffroute ist immer in Bergen und verläuft über 2700 km entlang der norwegischen Westküste. Dabei halten die Schiffe an 34 Häfen, die sie auf der Südroute, sprich auf der Rückreise auch ansteuern, jedoch zu anderen Tageszeiten.
Wer die komplette Tour Bergen-Kirkenes-Bergen bucht, kann alle Häfen doppelt zu unterschiedlichen Zeiten erleben. Die komplette Tour dauert 12 Tage. Ich habe mich aber bewusst für nur eine Richtung entschieden, da ich mir als Kreuzfahrtneuling nicht vorstellen konnte so lange an Board eines Schiffes zu sein. Es ist aber auch möglich unterwegs, zum Beispiel in Alesund einzusteigen und 5 Häfen später wieder auszusteigen.
Vorteile der Südroute
Der größte Vorsteil ist definitv der Preis. Die Südroute ist mit 6 Tagen um einen Tag kürzer als die Nordroute und damit auch günstiger. In Kirkenes beginnen auch nicht viele Passagiere die Reise mit dem Postschiff. Das bedeutet, dass das Boarding schnell und ohne große Wartezeiten und Menschenmassen abläuft.
Nachteile der Südroute
Man muss sich bewusst sein, dass zwar alle Häfen angefahren werden, jedoch zu einer anderen Tages- bzw. Nachtzeit. Wer unbedingt das Nordkap besuchen möchte, der wird auf der Südroute bitter enttäuscht. Vom Hafen Honnigsvåg kann das Nordkap besucht werden. Auf der Südroute wird der Hafen allerdings um 5.30 Uhr angefahren und der Stopp dauert nur 15 Minuten. Damit ist ein Besuch am berühmten Globus nicht realisierbar. Von Seiten der Hurtigruten wird auch kein Ausflug angeboten.
An Board der Hurtigruten MS Nordnorge
Für meine Reise habe ich mich für das Expeditionsschiff MS Nordnorge entschieden. Das Schiff ist 2016 modernisiert worden und bietet Platz für maximal 590 Passagiere. Für 476 Passagiere gibt es Betten. An Board gibt es drei Restautants und der Dresscode ist bequem. Hier läuft niemand im Abendkleid und High Heels über die 7 Decks. Warme Winterboots und kuschelige Norwegerpullover sind Programm.
Kabinen
Auf 7 Decks verteilen sich Kabinen in 19 verschiedenen Kategorien für jeden Geschmack und Geldbeutel. Von einfachen Kabinen mit Einzelbetten oder Etagenbetten und keiner Aussicht bis zu komfortabel ausgestatteten Suiten. Bei der Buchung einer gewünschten Kabine, sollte gut überlegt werden, was einem persönlich wichtig ist. Reicht nur ein Platz zum Schlafen? Möchte ich mich den Großteil des Zeitraums in den öffentlichen Bereichen aufhalten? Für meinen Partner und mich kamen Kabinen mit Einzelbetten oder Etagenbetten nicht infrage.
Bei meinem Check-In in Kirkenes ist mir augefallen, dass verhältnismäßig viele Passagiere an der Rezeption nach einer anderen Kabine beziehungsweise nach einem Upgrade fragten. In den Gesprächen war unüberhörbar oft die Größe der Kabine oder ein fehlender Fernseher (mit deutschsprachigen Sendern) der Grund für einen Wechsel. Nicht jeder konnte sich damit anfreunden, den Großteil der Reise in den internationalen Gemeinschaftsräumen zu verbringen, um bequem die Füße auszustrecken.
Für ein bestmögliches Erlebnis von Abenteuer und Erholung haben wir uns von Anfang an für eine der zwei Expedition-Suiten auf Deck 5 entschlossen. Die Kabine liegt im Bug des Schiffes und ist großzügig geschnitten. Allerdings ist das Bad mit Dusche sehr spartanisch, vor allem wenn man eine ähnliche Kabinenkategorie der norwegischen Fährschiffe der Colorline kennt und zu schätzen weiß.
Ein weiteres Manko, was jedoch alle Kabinen auf Deck 5 betrifft, ist die Tatsache, dass auf diesem Deck die Passagiere das Schiff umrunden können. Das bedeutet, dass ständig Passagiere vor den Fenstern vorbei laufen oder davor stehen und die Sicht verdecken. Da ich beruflich viel mit Menschen, insbesondere mit Urlaubern, zu tun habe, hat mich das tierisch genervt. In die Kabine konnte man nur schauen, wenn man entweder dicht durch die Scheibe schaut oder wenn in der Kabine Licht an ist.
Verpflegung
An Board gibt es 3 Restaurants, wobei vor allem das Buffetrestaurant „Torget“ sich großer Beliebtheit bei den Gästen erfreut. Die Küche ist norwegisch und damit sehr fischlastig. Bei Frühstück und Mittagessen gibt es freie Platzwahl. Zum Abendessen wird ein 3-Gang Menü serviert und der Tisch ist fest zugeordnet. Um alle Gäste zu bewirten, wird in zwei Belegungen plaziert.
An einem Abend wurde ebenfalls ein Buffet anstelle des Menüs angeboten. Diesen Abend nutzte ich, um das Bistro-Restaurant „Brygga“zu testen. Hier gibt es leckere Burger und ähnlich schnelle Gerichte. Das Restaurant wird vor allem von Norwegern besucht, die das Hurtigrutenschiff nur als Transportmittel für wenige Stunden nutzen. Für viele Norweger ist die Hurtigrute die schnellste Vebindung um von einem Hafen zum nächsten zu gelangen, ähnlich wie eine Zugfahrt.
Das dritte Restaurant mit den Namen „Kysten“ hat sich auf „arctic fine dining“ spezialisiert und liegt, wie alle Restaurants auf Deck 4. Hier können ganze Königskrabben verzehrt werden. Ich habe es nicht getestet.
Wer zwischen den Mahlzeiten noch eine Kleinigkeit, wie Kuchen oder Eis essen möchte, findet auf Deck 7 die „Multe“ Bar. Hier habe ich Norwegens „weltbesten Kuchen“ probiert.
Entertainment und Service
An Board wurden die Gäste mit einigen netten Programmpunkten unterhalten. Ob Lachs filitieren auf dem Explorer Deck oder täglich abwechselnde Vorträge. Ich nahm tatsächlich jeden Abend an dem Vortrag „Norwegian way of life“ teil. Der Vortrag konnte entweder auf deutsch oder englisch besucht werden. Ich habe mich hier ganz klar für die englische „lecture“ entschieden, da mich das internationale Publikum mehr ansprach und der Altersdurchschnitt auch wesentlich niedriger war. In diesem 30 minütigen Vortrag werden immer ein paar Eindrücke des Tages gezeigt, welche die Mitglieder des Expedetionsteams festgehalten haben.
Es gibt interessante Themen über Norwegen, zum Beispiel, in welcher Branche arbeiten die meisten Norweger oder wie hoch sind die Immobilienpreise in welcher norwegischen Kommune. Am Ende gibt es immer eine Aussicht auf den folgenden Tag und eine Wettervorhersage inkl. Prognose zur Wahrscheinlichkeit von Polarlichtern.
Über die Lautsprecher an Deck werden die Gäste in vier Sprachen u.a. über die vorbei ziehenden landschaftlichen Höhepunkte informiert. Direkt von der Brücke erhalten alle Passagiere auf diesem Wege auch den Hinweis, wenn sich Polarlichter am Himmel abzeichnen. Alle Lautsprecherdurchsagen gehen aber nicht bis in die Nacht. Wer über Polarlichter informiert werden möchte, auch um 3 Uhr morgens, der kann das Telefon in der Kabine dafür einstellen. Es gibt einen extra Knopf für dafür.
Meine Highlights auf der Südroute
Kirkenes
Mein allererstes Highlight ist Kirkenes selbst. Schnee und Eis soweit das Auge reicht und die Tatsache, dass Russland keine 20 km entfernt ist. Die Straßenschilder im Ort sind in norwegisch und kyrillisch. Im Hafen liegen russische Schiffe und Fischerboote, die ausgerüstet sind für die Jagd auf Königskrabben. Die Südroute beginnt mit dem Ablegen aus dem Hafen. Bereits am frühen Nachmittag steht die Sonne im Winter tief und die Sonneneinstrahlung lässt bei eisigen Temperaturen die Barentsee dampfen. Ein wahres Fest für jedes Fotografenherz.
Polarlichter
Polarlichter zu sehen sind natürlich keine Garantie, um so glücklicher war ich sie am ersten und zweiten Abend mit eigenen Augen zu erleben. Jeder Passagier an Board hofft auf dieses Naturschauspiel, welches in diesen Breitengraden ungefähr von September bis März mit etwas Glück zu sehen ist. Wenn der Himmel beginnt grün zu flackern, ist die grimmige Außentemperatur an Deck vergessen. Ich war unglaublich erleichtert, sie endlich mit eigenen Augen zu sehen. Tatsächlich fiel eine Art von Druck von meinen Schultern. Bei meinen zwei Besuchen in Tromsø war das Glück nämlich nicht auf meiner Seite und ich bin ohne die Sichtung von der „grünen Lady“ abgereist.
Hammerfest und der Eisbärenclub
Ein weiterer Höhepunkt liegt für mich in dem Ort Hammerfest. Hier befindet sich der legendäre Eisbärenclub, der über 250.000 Miglieder zählt. Mitglied kann man nur vor Ort werden und das habe ich auch direkt getan. Für 220 NOK (ca. 23 €) erhalte ich ein Zertifikat mit Clubausweis, Anstecknadel und Sticker und somit bin ich Mitglied auf Lebenszeit. Damit kann ich am jährlichen Treffen teilnehmen, welches am dritten Sonntag im Januar um 18 Uhr stattfindet. Würden alle Mitglieder erscheinen, hätte Hammerfest ein kleines Problem; es gibt nicht im Ansatz so viele Übernachtungsmöglichkeiten. Wie viele Mitglieder der “ Polar Bear Society“ jährlich kommen und was sie dann veranstalten, würde mich sehr interessieren. Irgendwann finde ich es raus.
Stokmarknes
In Stokmarknes befindet sich das Hurtigruten Museum. Eine Stunde habe ich Zeit, um mir im Schnelldurchlauf das alte Postschiff Finnmarken und die Ausstellung anzuschauen. Auch wenn die Zeit an Land wieder knapp ist, hat es sich gelohnt.
Überquerung des Polarkreises
Am 4. Tag auf der Südroute überquert das Schiff gegen 9.20 Uhr den Polarkreis zwischen den Häfen Ørnes und Nesna. Die meisten Gäste halten sich dafür auf dem Expeditionsdeck auf, weil es zur Überquerung des Polarkreises einen Schluck Lebertran vom Expeditionsteam gibt. Ich kann darauf gut verzichten und stehe mit nur wenigen Passagieren am Bug des Schiffes und schaue, wie wir am Globus vorbei ziehen.
Die Sieben Schwestern
Die Bergformation die Sieben Schwestern befinden sich auf dem Weg zwischen den Häfen Sandnessjøen und Brønnøysund. Der Legende nach handelt es sich um sieben versteinerte Trollfrauen. Das Wetter ist fantastisch und es macht einfach Spass die schnebedeckten Kuppen zu fotografieren.
Meine Flops auf der Südroute
Vor Antritt der Reise, habe ich eine große Liste an Ausflugsmöglichkeiten erhalten, die von den Hurtigruten angeboten werden. Ich habe mich für drei Ausflüge entschieden, wovon die Expeditionswanderung in Hammerfest aufgrund von zu wenig Teilnehmern abgesagt wurde. Im Nachhinein war ich froh darüber, denn die vierstündige Busfahrt über die Inselwelt der Vesterålen mit seinem Programm war mir definitiv zu touristisch. Es fuhren zwei Reisebusse, einer nur mit Deutschen und der andere war mit internationalen Passagieren besetzt. Ich wäre gern mit dem internationalen Passagieren gefahren aber ich wurde von Anfang an in den mit den Deutschen gesetzt. Den zweiten Ausflug per Reisebus machte ich in Trondheim zum Dom. Auch das war ein riesen Reinfall für mich. Es war mir alles zu passiv. Mir fehlte mein eigner persönlicher Rythmus. Ich ärgere mich noch heute darüber, dass ich Trondheim in den zwei Stunden, die ich zur Verfügung hatte nicht auf eigne Faust erkundete. Für mich fühlt es sich an, dass ich nicht wirklich in Trondheim war.
Die Sache mit den Polarlichtern
Wie oben schon angesprochen, ist es ein unbeschreiblicher Moment, wenn sich am dunklen Nachthimmel die ersten Polarlichter abbilden. Wer wie ich gern fotografiert und seine Hoffnung in gestochen scharfe Bilder setzt, der wird enttäuscht sein. Bei Minusgraden im zweistelligen Bereich und ordentlich Wellengang mit Wind und Gischt wird es leider nichts. Auch mit Stativ. Es sei denn man hat ein Gyroskop für Kameras dabei, welches die Schiffsbewegungen ausgleichen kann. Ich habe leider keines und dementsprechend unscharf sind alle meine Fotos geworden. Hier gilt, einfach den Moment genießen, ohne auf den Auslöser zu drücken, auch wenn es schwer fällt.
Meine Tipps für die Postschiffroute im Winter
Wer sich für die Südroute im Winter entscheidet, sollte ruhig ein oder zwei Tage in Kirkenes verbringen. Der kleine Ort hat viel zu bieten, ob Hundeschlitten fahren, Besuch und Übernachtung im Schneehotel. Auch gibt es Touren um nach Polarlichtern Ausschau zu halten. Dazu bietet der Ort viel geschichtliches rund um die Sovietzeit mit dem Grenzlandmuseum. Um dann zum Schiff zu kommen, gibt es einen Bus-Shuttle vom Hotel zum Hafen, welcher sogar kostenfrei ist.
Mein allerwichtigstes Kleidungsstück auf der Reise waren meine Überzieh-Spikes für die Schuhe. Kein Landgang ohne ihnen! Selbst der kurze Weg vom Schiff ins Museum in Stokmarknes. Die Bürgersteige sind fast immer mit einer dicken Eisschicht überzogen. Bei den Landgängen habe ich mir im Smartphone immer einen Alarm gestellt. Die Zeit war immer zu kurz, um sich gemütlich in den Orten aufhalten zu können. Damit ich nicht das Schiff verpasse, stellte ich den Wecker immer auf Halbzeit. So hatte ich immer genügend Zeit, um hurtig zum Schiff zu kommen.
Als das Postschiff nach 6 Tagen endlich in Bergen anlegte, war ich ehrlich gesagt froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich habe mir noch 3 Tage in Bergen gegönnt und konnte endlich ganz in meinem persönlichen Tempo die Stadt erkunden, ohne ständig auf die Uhr schauen zu müssen. Das tat wirklich gut.
Über die Autorin / Autoren
Als gebürtige Brandenburgerin arbeite ich dort, wo andere in Norddeutschland ihren Urlaub verbringen. Meinen Urlaub verbringe ich am liebsten als leidenschaftliche Wildlife Fotografin - zwischen A wie Afrika bis Z wie Zingst!
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