Aktualisiert am 03.05.2021
Die Sámi und ihre Rentiere besuchte ich im winterlichen Nordnorwegen in der Nähe von Tromsø. Dabei durfte ich nicht nur Rentiere streicheln, sondern lernte auch viel über ihre Kultur und Lebensweise kennen.
Einblick in die Sámi Kultur
Die Sámi warten bereits auf mich und ihre heutigen Gäste vor den Toren von Tromsø. Über vereisten Schnee folge ich ihnen auf Spikes in ihr Lavvu. So heißt das samische Zelt, in dem in der Mitte bereits ein kleines Feuer knistert. Um die Feuerstelle herum stehen Holzbänke mit Rentierfellen. Als alle einen Platz gefunden haben, wird es schnell gemütlich. Bevor es zu den Rentieren geht, tauche ich in die faszinierende Kultur der Sámi ein. In deutsch werden sie auch Samen genannt.
Mit einer charmanten Prise Humor erläutern sie, ihre Gákti. So wird die samische Tracht bezeichnet. Sámi untereinander können zum Beispiel anhand der Beschläge am Gürtel bei den Männern erkennen, ob dieser verheiratet oder ungebunden ist. Die aufwendig gestalteten Kleidungsstücke verraten auch, aus welcher Region sie stammen. Die bunte Tracht ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern ist auch funktionell. Welches Mädchen kennt nicht den Spruch: „Halte deine Nieren warm!“ Da ist etwas wahres dran, denn die Tracht der samischen Frauen beachtet diese Weisheit sehr. Ihre Tücher sind so gebunden, dass die Nieren immer bedeckt sind. Wenn also einer weiß wovon er spricht, dann sind es die samischen Frauen, die bei Wind und Wetter draußen mit ihren Rentieren leben.
Die Sámi sind das einzige indigene Volk innerhalb der Europäischen Union. Das Siedlungsgebiet der Sámi, erstreckt sich vor allem über Lappland im Norden von Finnland, Schweden und Norwegen bis nach Russland. Obwohl die Sámi ihre eigene Sprache sprechen, kann es bei der Kommunikation untereinander etwas schwierig werden. Einige Vokabeln haben in anderen Verbreitungsgebieten eine komplett andere Bedeutung. Was ich faszinierend finde, Sie verfügen über 200 verschiedene Wörter für Schnee und für Rentierverhalten.
6. Februar der Nationalfeiertag der Sámi
Der Feiertag erinnert an den 6. Februar 1917. An diesem Tag fand in Trondheim der erste länderübergreifende samische Kongress statt. Seit 1993 feiern ca. 70.000 Sámi in Norwegen, Schweden, Finnland und Russland. Mit 40.000 leben die meisten Sámi in Norwegen. Seit dem 15. August 1986 haben die Sámi eine offizielle Flagge. Die Flagge ist siedlungs- und länderübergreifend.
Wie es der Zufall will, besuchte ich die Sámi genau an ihrem Nationalfeiertag. Zur Feier des Tages gab es Kuchen nach dem deftigen Rentier-Eintopf Bidos. In Norwegen selbst, ist an dem Tag kein frei. Es ist ein normaler Werktag. Aber die Sámi tragen an dem Tag stolz ihre Tracht auf der Arbeit. Das ist mir an dem Tag auch in Tromsø aufgefallen. Auf den Straßen begegneten mir viele in samischer Tracht.
Wer um den 6. Februar in Tromsø ist, kann an der samischen Woche teilnehmen. Rund um den Nationalfeiertag gibt es Joik-Konzerte, Sprachkurse oder Kurse im Lasso werfen. Diese Disziplin beherrschen die Sámi blind, da sie auf diesem Weg am schnellsten einzelne Rentiere einfangen. Der große Höhepunkt der samischen Woche ist dann das Rentierwettfahren mitten in der Stadt auf der Storgata.
Rentiere hautnah erleben
Bevor ich endlich zu den Rentieren darf, gibt es noch einige Tipps auf den Weg. Die 300 Rentiere im Winterquatier sind wild aber lieb. Mit Spikes an den Schuhen geht es mit einen Eimer Pellets raus zu den Rentieren. Die ersten warten bereits am Eingang und sind sehr zutraulich. Ich soll ruhig weiter raus auf das Gelände gehen, wo sich die weniger zutraulichen Rentiere aufhalten. Wenn ich sie füttere muss ich unbedingt darauf achten, dass ich etwas Abstand zu ihren Geweihen halte.
Das kann sonst schnell ins Auge gehen. Während sie fressen, lassen sie sich auch problemlos streicheln. Ihr Fell ist ganz weich, vor allem ihre Nase fühlt sich ganz samtig an. Mit ihren großen Kulleraugen haben sie ein so lustigen Gesichtsausdruck, dass ich aus dem Schmunzeln nicht mehr raus komme. Sie sehen auch alle ganz unterschiedlich aus. Ihre Fellfärbung reicht von schneeweiß über gescheckt bis dunkelbraun. Der angefrorende Schnee ist wirklich tückisch. Ich muss selbst mit Spikes sehr aufpassen, wo ich hintrete. Aber ich konnte sogar beobachten, wie selbst ein zu schnell laufendes Rentier ins rutschen geriet. Das sah übrigens sehr lustig aus. Aber es ist nicht hingefallen, anders als die Zweibeiner.
Die Sámi und ihre Rentiere
Von November bis ca. März verweilen die Rentiere in ihrem eingezäunten Winterquartier und werden in der Zeit von den Sámi gefüttert. Im Frühjahr wird die Herde wieder frei gelassen und die Sámi folgen ihnen in die Berge rund um Tromsø. Teilweise kommen sie nur mit einem Schneemobil hinterher. Im Mai erblicken die Rentierkälbchen die Welt. Die Sámi haben ein großes Messer mit dem sie eine Kerbe ins Rentierohr schneiden. Anhand dieser Kerbe können die Rentiere der entsprechenden Sámi-Familie zugeordnet werden. Einige nutzen auch moderne Ohren-Marker.
Eine Fahrt im Rentierschlitten
Zwischen dem Füttern habe ich fast meine Fahrt mit dem Rentierschlitten verpasst. Mittlerweile habe ich 3 Eimer Pellets verfüttert und bin bis in die hinterste Ecke des Geländes gestapft.
Ganz artig warten die Rentiere vor den rustikalen Holzschlitten. Die einzelnen Schlitten sind miteinander verbunden. Ein Rentier zieht jeweils einen Schlitten. Am Anfang führt ein Sámi das Rentier am Halfter in die entsprechende Richtung.
Bevor ich einsteige, gibt es von mir noch eine handvoll Pellets und wir machen uns bekannt. Genügsam zuckeln wir los und rutschen über den frostigen Schnee. Es geht bei weitem nicht so rasant zu wie bei Anja´s Huskytour in Schwedisch Lappland. Dafür verliere ich während der Fahrt meinen Objektivdeckel. Aber mit einer Rolle aus dem Schlitten, wo jeder Stuntman blas wird, habe ich ihn erwischt. Zu Fuß konnte ich auf den fahrenden Schlitten wieder aufsteigen.
Wissenswertes über Rentiere
- Rentiere können ihre Augenfarbe verändern. Im Sommer geht nördlich des Polarkreises die Sonne für 2 Monate nicht unter. Es ist rund um die Uhr hell. Die Iris färbt sich dann bernsteinfarben. Damit reflektieren sie 95% des Lichts. Im Winter wird es kaum hell rund um die Polarnacht. Die Augen nehmen dann eher eine bläuliche Färbung an. Die Reflektion liegt nun bei nur noch 40% und ihre Sehschärfe ist auch beeinträchtigt.
- Bei den Rentieren tragen auch die Weibchen Geweihe. Sie tragen es, um sich im Winter gegen andere Weibchen und Feinde besser zu verteidigen und die kargen Nahrungsquellen und damit Futter für sich und das ungeborende Kalb zu sichern. Die Männchen verlieren die Geweihe im Herbst und im frühen Winter. Die Weibchen werfen die Geweihstangen erst im Frühling oder sogar erst im Sommer ab.
- Rentiere und die nordamerikanischen Karibus gehören zur gleichen Tierart.
- Mit ihrer Nase können Rentiere die kalte Luft erwärmen, bevor sie in ihre Lungen gelangt.
- Sie ernähren sich hauptsächlich von Flechten, die sie mit ihren Hufen frei scharren. Zwei Kilogramm benötigt ein erwachsenes Tier am Tag.
Infos zum Tagesausflug
Der Ausflug dauert 3 bis 4 Stunden und die Abholung erfolgt in der Innenstadt von Tromsø gegen 9:50. Die Fahrt im modernen Reisebus dauert ca. eine halbe Stunde. Zurück geht es gegen 14/15 Uhr.
Kosten: 1090 NOK (ca. 112 €) für Erwachsene und Kinder ab 13 Jahre, 690 NOK (ca. 70 €) für Kinder von 6 bis 12 Jahre über den Tourveranstalter Chasing Lights. Du kannst auch direkt deinen Besuch bei den Sámi online buchen.
Mit einem traditionellen Joik endet mein Nachmittag bei den Sámi. Bei einem Joik, der ein wenig wie jodeln klingt steht die Musik im Vordergrund und nicht die Worte. Die Sámi joiken über Zwischenmenschliches, Tiere und Natur aber niemals über sich selbst.
Über die Autorin / Autoren
Als gebürtige Brandenburgerin arbeite ich dort, wo andere in Norddeutschland ihren Urlaub verbringen. Meinen Urlaub verbringe ich am liebsten als leidenschaftliche Wildlife Fotografin - zwischen A wie Afrika bis Z wie Zingst!
Oooh, wie sehr ich dich um diese Erfahrung beneide! Meine einzige Rentier-Begegnung war bisher nur vom Auto aus in Schwedisch-Lappland, aber immerhin :).
Aber Rentier-streicheln steht definitiv noch auf meiner to-do-List!
Wow, wie cool! Die Rentiere sind ja wohl oberknuffig!!! Ich will ja eh dringend mal im Winter nach Tromso, um Nordlichter zu gucken. Dann muss ich unbedingt auch so einen Tagesausflug zu den Rentieren machen. Genialer Tipp, vielen Dank :-)
Liebe Grüße
Kathrin
Hallo liebe Kathrin,
in die Rentiere hab ich mich auch sofort verliebt. Tromso ist definitiv eine Reise wert. Nun war ich schon 2x im Winter dort aber die Nordlicher habe ich in und um Tromso nie zu Gesicht bekommen, obwohl es so ein Hotspot ist. Du kannst auch Rentiere streicheln mit Polarlichter gucken verbinden. Diese Möglichkeit bieten sie dir auch vor Ort an. Wenn ich ein drittes Mal nach Tromso komme, werde ih das ausprobieren.
Liebe Grüße
Anne