Aktualisiert am 21.12.2020
Am Fuße des Mount Kenya´s ist der rote Boden nährstoffreich. Die Region rund um den zweitgrößten Berg Afrikas ist bekannt für den berühmten Kenya Coffee. Auf meiner diesjährigen Reise durch mein liebstes ostafrikanisches Land, bin ich bei Einheimischen eingeladen und lerne Kenia von einer ganz privaten Seite kennen.
Es hat endlich geklappt, nach 2 Jahren konnte ich der Einladung folgen, die schon lange im Raum hing. Justin, mein langjähriger Safarifahrer und Guide ist mittlerweile ein guter Freund geworden. Seit 2012 sind wir jedes Jahr auf Pirschfahrt durch die unterschiedlichsten kenianischen National Parks und Reservate. Jetzt lerne ich seine Heimatregion und seine Familie kennen und damit auch ein Kenia, welches den meisten Urlaubern verborgen bleibt.
Inhaltsverzeichnis
Einkaufen in Kenia
Justin holt mich am frühen Morgen am Flughafen von Nairobi ab. Auf unserer ca. 4 stündigen Fahrt geht es aus der Hauptstadt raus, über Thika und durch viele kleine Ortschaften. Am Straßenrand werden auf klapprigen Holzgestellen saftige Mangos und pralle Melonen angeboten. Für unser heutiges Abendessen kaufen wir die köstlichen Früchte ein, nachdem Justin mit prüfenden Fingern die Richtigen auswählt. So landen Bananen, Melonen, Mangos, Tomaten, Erbsen und Paprika im Auto, die ich gut verstaue.
Die Landschaft verändert sich, abgeerntete Reisfelder säumen unseren Weg. Ich wusste gar nicht, dass in Kenia Reis wächst. Reisfelder sah ich das letzte Mal vor 10 Jahren auf Bali. Für unser Abendessen soll es auch Reis geben. Wir halten direkt vor einer Reismühle und kaufen den duftenden Langkornreis. Ein kg Reis kostet 100 KES (Kenia Schilling), das sind ca. 0,90 €. Reis wird 2x im Jahr geerntet. Am Wegesrand trocknet er auf großen Planen.
Ankunft am Mount Kenya
Gegen Mittag verlassen wir die befestigte Straße und rumpeln über die trockene, rote Erde. Die ersten Kaffeefelder sind zu sehen. Wir biegen in eine bewachsene Einfahrt ab und stehen vor seinem Haus. Ich bin beeindruckt. Vor mir steht ein flacher massiver Bungalow aus grauen Steinen. Nicht zu vergleichen mit denen aus Lehm und Elefanten-Dung gefertigten Manyattas der Maasai oder Samburu. Im Haus hat seine letztgeborene Tochter Sylviah alles für unsere Ankunft vorbereitet. Auf der Wäscheleine trocknen frische Laken in der Sonne und auf dem Feuer köchelt ein Topf mit Gemüse Stew (Gemüse Soße). Justin führt mich durch sein Haus. Im Wohnzimmer steht ein großer Holztisch mit Stühlen. Es gibt ein Sofa, einen kleinen Röhrenfernseher und an den Wänden hängen alte Fotos von seinen verstorbenen Großeltern. Seine Frau Priscilla ist noch im Nachbardorf, zum Elterntag in der Schule seiner zweitgeborenen Tochter. Sylviah bringt den Gemüse Stew und spricht vor dem Essen in rasender Geschwindigkeit das Tischgebet in Englisch. Eine Situation, die mir von Zuhause nicht geläufig ist und so halten meine Hände die Tischkante fest und ich gucke auf den leeren Plastikteller und warte auf das „Amen“.
Ich übernachte im ehemaligem Zimmer seiner 3 Töchter. Das kleine saubere Zimmer hat ein kleines vergittertes Fenster und 2 Betten stehen auf dem glatten lackierten Steinfußboden. Gegenüber der Tür ist das Bad, bestehend aus einem WC, einem Wasserhahn in der Wand und einer Plastikschüssel darunter. Das war´s, kein Waschbecken oder Dusche. Noch immer bin ich vom fließendem Wasser und Elektrizität beeindruckt. Unsere Einkäufe bringen wir in die Küche. Sie ist ein Holzanbau neben dem eigentlichem Haus. Es gibt eine Spüle mit einem Wasserhahn, Holzregale, einen kleinen Gasherd und eine große Feuerstelle.
Einen Kühlschrank, Gefrierschrank, Waschmaschine oder Spülmaschine sucht man hier vergebens. Im Innenhof ist ein Betonbecken, wo die Wäsche gewaschen wird. Im kleinen Flur vor der Küche sitzen wir mit nackten Füßen und trinken „Chai“ (die typische Art, wie Kenianer Tee trinken: ein schwarzer Teebeutel, mit heißer Milch aufgegossen) und essen meine mitgebrachten Hanutas. Justin und Sylviah lieben Hanutas. Jedes Jahr bringe ich ihnen die süßen Haselnussschnitten mit. Aufgrund ihrer Verpackung und Konsistenz halten sie selbst dem heißen Klima Afrikas stand.
Kennenlernen und Begrüßen
Wir treten aus dem kühlen Flur in die warme Nachmittagssonne und Justin zeigt mir sein Vieh. Der Hühnerstall ist leider verwaist, vor nicht allzu langer Zeit sind all seine Hühner plötzlich verstorben. Das klingt ein wenig wie unsere derzeitige Vogelgrippe. Drei lustige Schlappohrziegen strecken neugierig ihren Kopf durch den Zaun und ich kraule ihren zotteligen Kopf. Nebenan wohnt sein ganzer Stolz eine braungefleckte trächtige Kuh und ein kräftiger Bulle, der sich nicht ganz so gern von mir streicheln lässt.
Als nächstes zeigt er mir den „Shamba“ (Kisuaheli für eine kultivierte Fläche) seiner Frau. Hier wächst Kohl, Arrow-root (engl. Pfeilwurz) und riesige Bananen. Ich erzähle ihm von meinen 2 Bananenpflanzen zu Hause und wie mickrig sie doch sind, im Vergleich zu seinen Gewächsen.
Auf den Kenya Coffee Feldern
Wir verlassen den Hof und laufen durch sein Kaffeefeld. Kaffee wird nur 1x im Jahr geerntet. Im November/Dezember ist er reif und die mühselige Ernte kann bis zu 3 Monaten dauern. Die roten Kaffeekirschen werden mit der Hand gepflückt. Jetzt, Ende Januar/Anfang Februar brauchen die Kaffeepflanzen viel Pflege. Justin zückt seine Pflanzenschere und zeigt mir welche frischen Triebe zurückgeschnitten werden müssen, damit die Kraft der Pflanzen in die Kaffeekirschen geht. Es steckt viel Handarbeit in der Bewirtschaftung von Kaffee und eigentlich lohnt sich die viele Arbeit nicht. Gerade mal 40 KES, weniger als 0,30 € bekommen sie für ein kg Kaffee. Da bleibt zum Leben nicht viel übrig. Ohne seine Anstellung als Safarifahrer könnten sie vom Ertrag der Kaffee-Ernte nicht leben. Zu ungewiss ist der Erlös der Ernte.
Zwischen den Kaffeepflanzen ranken Kürbisse auf dem Boden und die Felder sind von Bananen gesäumt. Die Felder bewirtschaftet seine Frau Priscilla, während er als Safarifahrer im Land unterwegs ist, alleine. Ein wenig Unterstützung bekommt sie von seinem Bruder und seinen Cousins, die auf dem Nachbarfeld Mais anbauen. Ich versuche mir vorzustellen, wie es wäre, wenn ich hier alleine die ganzen Felder bearbeiten würde. Die Dreckwäsche nicht mal eben in die Waschmaschine stecken, genüsslich heiß duschen und als Belohnung ein Eis aus dem Gefrierfach lutschen.
Hoch oben im Baum entdecke ich einen großen Holzkasten an einem Seil schweben. Zur Blütezeit siedelt ein Imker ein Bienenvolk dort an, welches den Kenya Coffee bestäubt und Honig produziert. Die Kaffeefelder liegen an einem Hang und sind durch tiefe Gräben voneinander getrennt. In der Regenzeit sammelt sich in den Gräben das Wasser. In Sandalen springen wir von Graben zu Graben. Plötzlich muss ich an die ängstliche Frage von meiner ehemaligen Kollegin Lea denken: „Hast du noch nie Schlangen in Afrika gesehen?“ Hier im Nirgendwo ohne festes Schuhwerk und langer Hose wäre es die perfekte Situation einer Schlange das erste Mal zu begegnen. Ich fang einfach an, Justin zu all den vielen wilden Tieren in der Region hier zu befragen. Aber er winkt ab und lacht: „Hakuna matata Anna!“ – Mach dir keine Sorgen!
Vor mir liegt das letzte seiner Felder. Die Pflanzen sind nur knapp wadenhoch und ganz vertrocknet. Justin fragt mich, ob ich erkenne was hier wächst. Aber ich komme nicht drauf. Er greift eine vertrocknete Hülse und jetzt sehe ich es: rote Bohnen! Wenn sie noch jung sind, schmecken sie ganz süß, erklärt er mir.
Auf unserer Wanderung durch die Felder, sehen wir eine umgeknickte Bananenstaude. Mit der „Panga“, ein armlanges Buschmesser schlägt er die Staude von der Pflanze ab und wir tragen die noch tiefgrünen Früchte nach Hause. Als die Kühe die Bananen sehen, werden ihre Hälse immer länger. Mögen Kühe Bananen? Und tatsächlich, ich füttere sie mit den noch unreifen Früchten.
Eine helfende Hand
Am Abend lerne ich endlich seine Frau Priscilla kennen. Sie hat ein braunes Huhn mitgebracht und ich freue mich, dass im verwaisten Hühnerstall bald wieder Leben herrscht. In der Küche herrscht geschäftiges Treiben und Sylviah bereitet den Teig für die Chapatis vor. Ich frage, ob ich helfen darf. Sie winken lachend ab; aber im Bad kann ich mich frisch machen. Neben dem WC steht ein großer Bottich und das Wasser ist kochend heiß. Dann lege ich mal los und gebe mein bestes, um aus mir ein sauberes selbst zu zaubern und dabei nicht das ganze Haus zu fluten.
Frisch und sauber starte ich erneut einen Versuch, um bei der Produktion des Abendessens aktiv mitzuhelfen. Priscilla steht mit dem Huhn in der Tür und fragt mich, ob ich helfen mag. Jetzt rutscht mir mein Herz doch in die Hose und ich weiß, das ich das definitiv nicht kann. Aber sie nimmt es mir nicht übel und verschwindet mit dem Huhn auf dem Hof. Ich frage Sylviah, ob ich nicht vielleicht schon mal den Tisch decken soll und ich darf. Schnell schnappe ich mir die Plastikteller und laufe im alten Kellnerschritt ins Wohnzimmer, um ja kein letztes Geräusch des braunen Hühnchens zu hören. Außer Löffel finde ich kein weiteres Besteck.
Abendessen
Bald schon stehen dampfender Reis mit Gemüse, warme Chapatis und das Hühnchen auf dem Tisch. Sylviah spricht wieder das Tischgebet und wir lassen es uns alle schmecken. Mit den Fingern rolle ich den Reis und das Gemüse in die Chapatis. Es ist köstlich. Natürlich esse ich auch vom Huhn. Noch nie habe ich mein Essen vorher gekannt und noch nie hab ich so ein frisches Hühnchen gegessen. Ich weiß, das der reich gedeckte Tisch nicht jeden Tag so aussieht. Anders als in der westlichen Welt kommt höchstens 1x in der Woche Fleisch auf den Tisch. Die Speisen sind auch alle nicht so salzig, wie ich es von zu Hause kenne. Es schmeckt viel natürlicher. Um so süßer ist unser Dessert, die frischen Mango- und Melonenstücke, die wir heute morgen gekauft haben.
Nachdem Essen unterhalten wir uns nochmal über den schlechten Kaffeepreis und vergleichen, wie viel ein kg des berühmten Kenya Coffee in Deutschland kostet. Was bringt den meisten Gewinn, möchte ich wissen. Bananen und Kartoffeln, nickt Priscilla.
Es ist längst dunkel draußen und die kühle Abendluft weht durch die offenen Fenster. Bevor es zu Bett geht, überreiche ich noch meine Gastgeschenke. Ich habe ihnen u.a. einen Foto-Kalender erstellt, von den Bildern, die ich in den letzten Jahren von Ihnen per Kurznachrichten erhalten habe. Ich freue mich sehr, dass meine Idee so gut ankommt.
Jetzt wollen sie mir aber unbedingt noch etwas zeigen. Wir treten vor die Tür und über unseren Köpfen hat sich der afrikanische Sternenhimmel in all seiner Pracht ausgebreitet. An Kenia´s Sternenhimmel konnte ich mich noch nie satt sehen. „Lala salama“ – Schlaf gut!
Über die Autorin / Autoren
Als gebürtige Brandenburgerin arbeite ich dort, wo andere in Norddeutschland ihren Urlaub verbringen. Meinen Urlaub verbringe ich am liebsten als leidenschaftliche Wildlife Fotografin - zwischen A wie Afrika bis Z wie Zingst!
Super schöner Artikel- toll dass du Freunde dort hast die dich so herzlich aufnehmen und dir einen Einblick in ihren Alltag geben. Ich finde dass ist immer das spannenste am Reisen.
Auch eine super Idee mit dem Kalender :)
Lieben Gruß
Hallo Franzi,
abseits der Touristenpfade lernt man ein Land ganz anders kennen. Ich habe mich wirklich sehr geehrt gefühlt, dass mit diese Einladung ausgesprochen wurde und ich so ein Kenia kennenlernen durfte, was mir sonst verborgen geblieben wäre. Reisen ansich prägt und weitet den Horizont aber solche Momente prägen noch intensiver.
Liebe Grüße Anne